Andreas Urban & F. Alexander von Uhnrast
Corona als Krisensymptom
Einleitung zum Sammelband Schwerer Verlauf. Corona als Krisensymptom, erschienen im März 2023 in Wien bei Promedia
„Die schlimmste Manipulation besteht darin, dort Sinn stiften zu wollen, wo objektiv keiner ist.“
Jörg Ulrich[1]
Die sogenannte Corona-Krise hat seit 2020 zu einer unübersehbaren Verschärfung zahlreicher, schon vorher bestehender Krisentendenzen des kapitalistischen Weltsystems geführt. Insbesondere die zur Pandemiebekämpfung ergriffenen Maßnahmen haben massive Schäden auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen verursacht, deren kritische Aufarbeitung großteils noch aussteht und die – wie inzwischen selbst in Mainstreammedien nachgelesen werden kann[2] – den behaupteten Nutzen der Maßnahmen weit übersteigen. Beispielsweise haben die Corona-Lockdowns zu einem dramatischen Anstieg der Zahl der Hungernden weltweit geführt, die Kinder- und Müttersterblichkeit ist vor allem im Globalen Süden stark angestiegen, Todesfälle durch andere Krankheiten haben aufgrund medizinischer Unterversorgung zugenommen (z.B. Herzinfarkte, Schlaganfälle, Krebs), nicht zu vergessen die schwerwiegenden Folgen des Maßnahmenregimes für Kinder, etwa in psychischer Hinsicht oder mit Blick auf die „Kollateralschäden“ im Bildungsbereich.[3] Hinzu kommt, dass sich die ergriffenen Maßnahmen gerade für den Schutz „vulnerabler Gruppen“ (vor allem alte Menschen mit Vorerkrankungen) als wenig effektiv erwiesen – abzulesen etwa am hohen Anteil von PflegeheimbewohnerInnen an den Corona-Toten, der in den meisten westlichen Ländern während der „ersten Welle“ zwischen 30 und 60 Prozent lag.[4]
Die durch massive mediale und politische Propaganda systematisch geschürte „Corona-Angst“ wurde zur Durchsetzung immer noch restriktiverer Verordnungen, zur Suspendierung von Grund- und Freiheitsrechten und zur Etablierung von Zensurmaßnahmen instrumentalisiert. Das Narrativ vom „Killervirus“ kulminierte schließlich in einer Impfkampagne auf der Grundlage neuartiger genetischer Vakzine, die in historisch beispielloser Geschwindigkeit entwickelt und auf den Markt geworfen wurden. Je mehr sich deren bescheidene Wirksamkeit und schwerwiegende Nebenwirkungen herausstellten, desto starrsinniger wurde am Framing als „wirksam und sicher“ festgehalten. Die Impfkampagne ging in vielen Ländern einher mit der forcierten Spaltung der Bevölkerung durch Drangsalierung der „Ungeimpften“ und deren Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben mittels digitaler Zertifikatsysteme.
Das alles geschah und geschieht nota bene „im Krieg“ gegen ein für bestimmte Bevölkerungsgruppen zwar durchaus nicht ungefährliches, epidemiologisch und mit Blick auf die gesamte Bevölkerung jedoch mäßig bedrohliches Virus, dessen Pathogenität zu keiner Zeit signifikant über der einer Influenza lag.[5] Wie konnte es dazu kommen?
Nicht zu Unrecht wurde während der Corona-Krise bisweilen darauf hingewiesen, dass die Pandemie „wie ein Brennglas“[6] schon lange bestehende politische Versäumnisse und strukturelle gesellschaftliche Missstände ans Tageslicht gebracht hat. Der vorliegende Sammelband vertritt die These, dass die gesellschaftliche Reaktion auf das Coronavirus im Kontext einer dynamisch fortschreitenden Krise des Kapitalismus sowie daraus resultierender gesellschaftlicher Erosionsprozesse besser verstanden werden kann. Diese Krisentendenzen haben nicht nur ökonomische (Wirtschafts- und Finanzkrisen, Massenarbeitslosigkeit, Prekarisierung, kapitalistische Überakkumulation etc.) und ökologische (Klimawandel, Umweltzerstörung, Artensterben etc.), sondern auch sozialpsychologische Dimensionen. Sie durchdringen unsere historisch gewachsenen Lebens- und Denkformen. Die Krise betrifft also nicht nur ein abstraktes Gesellschaftsmodell oder „die Ökonomie“, sondern die moderne, bürgerliche Subjektform schlechthin.
Es ist daher davon auszugehen, dass die Corona-Krise zwar nicht nur, aber maßgeblich auch sozialpsychologisch erklärt werden muss. Eine Rolle dürften hier nicht zuletzt fortgeschrittene Prozesse der „Postmodernisierung“ spielen, die mit ihrer Tendenz zur „Virtualisierung“ im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zu einer enormen Verflachung des Denkens und einer Beschädigung des Realitätsbezuges geführt haben. Ebenso zeitigen gesellschaftliche Krisen auch Prozesse sozialer Verrohung, wie sie nicht nur im seit vielen Jahren zu beobachtenden Vordringen von Rassismus oder Sexismus, sondern gerade auch an den sich im Corona-Kontext abspielenden Spaltungstendenzen beobachtet werden konnten: etwa in der Diffamierung und Unterdrückung jeglicher Kritik am Maßnahmenregime oder in der Aggression gegen „Ungeimpfte“. Bemerkenswert dabei ist, dass ein großer Teil dieser gesellschaftlichen Aggression gegen KritikerInnen und Andersdenkende von linksliberalen Milieus[7] ausging, die bislang mit Blick auf die sich abzeichnenden (im sozialwissenschaftlichen Diskurs z.B. unter dem Stichwort „Extremismus der Mitte“[8] verhandelten) sozialen Verrohungstendenzen wenig im Fokus der Aufmerksamkeit standen.
Der „schwere Verlauf“ der Corona-Krise – so die hier vertretene These – kann also nur vor dem Hintergrund der umfassenden Krisentendenz des Spätkapitalismus hinreichend verstanden werden. Diese unterscheidet sich von den zahlreichen zyklischen Krisen, die der Kapitalismus im Laufe seiner Durchsetzungs- und Entwicklungsgeschichte durchlief, grundlegend dadurch, dass sie eine fundamentale Krise der kapitalistischen Produktionsweise als solche anzeigt, deren Entwicklungspotenziale durch ihre inneren, eskalierenden Widersprüche an ihr Ende kommen. Ein Grundwiderspruch des Kapitalismus, auf den bereits Karl Marx im 19. Jahrhundert hingewiesen hat, besteht darin, dass das Kapital von der produktiven Ausbeutung und Vernutzung menschlicher Arbeitskraft lebt, infolge der universalen Konkurrenz auf dem Markt und dadurch motivierter Produktivitätssteigerungen aber dazu tendiert, Arbeit überflüssig zu machen und aus dem Produktionsprozess „wegzurationalisieren“ – insbesondere durch Mechanisierung bzw. Automatisierung der Produktion. Marx nannte dies einen „prozessierenden Widerspruch“, der irgendwann dazu führen müsse, dass „die auf dem Tauschwert ruhnde Produktion zusammen[bricht]“[9], da das Kapital mit der Produktivkraftsteigerung seine eigene „Substanz“[10], die Arbeit, buchstäblich vernichtet. Zwar steigert das Kapital damit stets „den Grad der Ausbeutung, aber es unterminiert damit Grundlage und Gegenstand der Ausbeutung“[11], nämlich die kapitalistische Wertschöpfung als solche. Dieser Widerspruch scheint mittlerweile ins Stadium der Reife eingetreten zu sein. Dies zeigt sich nicht erst an den Effekten der aktuellen, durch Corona nochmals stark beschleunigten Digitalisierungsprozesse (Stichwort Industrie 4.0), durch die sich der längst absehbare Trend zur Massenarbeitslosigkeit noch zuspitzen wird.[12]
Mit dem Philosophen Robert Kurz (1943–2012), der die Marx’sche Krisentheorie bedeutend weiterentwickelte und seit den 1980er Jahren zum prominentesten deutschsprachigen Theoretiker des sich abzeichnenden „Kollaps der Modernisierung“[13] avancierte, können vier Dimensionen bzw. Prozesse differenziert werden, die für die fundamentale Krise bestimmend und charakteristisch sind: Rationalisierung, Globalisierung, Tertiarisierung und Fiktionalisierung.[14]
Rationalisierung bezieht sich auf die bereits angesprochene Tendenz des Kapitals, durch innovative Fertigungstechnologien die Produktivität zu erhöhen, um einen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt zu erringen. Historisch (z.B. bei früheren „industriellen Revolutionen“ wie etwa durch die Dampfmaschine oder die Fließbandproduktion) konnte die damit einhergehende Tendenz zum Wegrationalisieren von Arbeit dadurch kompensiert werden, dass durch Produktinnovationen und neue Geschäftsfelder ein hinreichendes Maß an (anderswo überflüssig gewordener) Arbeit in den Verwertungsprozess absorbiert wurde. Seit der dritten industriellen Revolution der Mikroelektronik ab den 1970er Jahren (Computer, Robotik etc.) wird nun allerdings diese Reabsorption quantitativ und qualitativ mehr und mehr durch die steigende Produktivität und die damit einhergehende Ersetzung menschlicher Arbeitskraft überholt. Die Produktivität des Systems ist durch die neuen Technologien inzwischen so hoch, dass die Arbeitsintensität immer weiter abnimmt, im Produktionsprozess also immer weniger menschliche Arbeitskraft benötigt wird.[15] Eine wesentliche Folge davon ist ein seit vielen Jahren wachsender Sockel nicht mehr nur konjunktureller, sondern struktureller Arbeitslosigkeit, der auf einen weiteren Grundwiderspruch des Kapitalismus auf dem mittlerweile erreichten Produktivitätsniveau verweist: Wer soll die in immer größerer Quantität produzierten Waren kaufen, wenn den Menschen durch Massenarbeitslosigkeit die Kaufkraft entzogen ist? Überdeckt wurde dieser Widerspruch in den letzten Jahren nicht zuletzt durch Konsum auf Pump, was sich vor allem in einer enormen, quasi parallel zur Staatsverschuldung steigenden Privatverschuldung niederschlägt. In den USA sind mittlerweile rund 80 Prozent der Bevölkerung prekär beschäftigt und/oder verschuldet.[16]
Globalisierung meint vor allem die in den letzten Jahrzehnten rasch vorangeschrittene Internationalisierung der Märkte und die damit faktisch einhergehende Herausbildung eines „Weltkapitals“.[17] Auch sie beruht wesentlich auf der technologischen Entwicklung der Mikroelektronik und den daraus hervorgehenden Möglichkeiten, über den gesamten Globus hinweg in Echtzeit zu kommunizieren. Die Globalisierung ermöglicht es, den „Produktionsprozeß quer zu den bisherigen Nationalökonomien verlaufen zu lassen; die bisherige nationalökonomische Kohärenz wird aufgesprengt.“[18] Angesichts einer parallel zur Steigerung der Produktivität und zum Sinken der Arbeitsintensität verlaufenden Erhöhung der Kapitalintensität und einem daraus resultierenden Druck auf die Profitraten nutzen Konzerne diese Möglichkeiten, um z.B. arbeitsintensive Betriebsteile auszulagern, indem sie sich die Billiglohnstrukturen im Globalen Süden zunutze machen. Für diese Praxis hat sich der Begriff „Outsourcing“ eingebürgert. Letztlich versucht das Management der Unternehmen, „alles dorthin zu verlagern, wo es von den Märkten, den Krediten, der Arbeitskraft, den Steuern und was es alles an Rentabilitätsgesichtspunkten noch gibt, […] in der Welt am günstigsten ist.“[19] Die Folge daraus ist einerseits eine häufig unter menschenunwürdigen Bedingungen stattfindende Ausbeutung von Arbeitskräften in Billiglohnländern, andererseits eine fortschreitende Deindustrialisierung mit der Konsequenz steigender Arbeitslosigkeit in den kapitalistischen Zentren (siehe z.B. paradigmatisch dafür den rust belt in den USA).
Tertiarisierung bezieht sich auf die mit der steigenden Produktivität und der Freisetzung von Arbeitskraft aus dem unmittelbaren industriellen Produktionsprozess verbundenen Hoffnungen auf eine „postindustrielle Dienstleistungsgesellschaft“. Aus der Perspektive kapitalistischer Wertverwertung ist das Problem kommerzieller Dienstleistungen allerdings, dass sie „teilweise gar keinen eigenständigen Sektor der Kapitalakkumulation dar[stellen], sie sind von Haus aus trotz formeller Selbständigkeit kapitalistisch unproduktiv und müssen aus dem industriellen Mehrwert gespeist werden.“[20] Es ist kein Zufall, dass ein großer Teil der gesellschaftlichen Tätigkeiten, die heute unter „Dienstleistungen“ gefasst werden, vom Staat erbracht wurden und zum Teil bis heute werden, z.B. Aufbau und Erhalt öffentlicher Infrastruktur, Bildung, Sozial- und Gesundheitswesen etc. Solche Leistungen sind häufig wenig rentabel und nur unzureichend über Marktprozesse zu gewährleisten. Was passiert, wenn die entsprechenden Sektoren profitabel betrieben werden sollen, konnten wir schon lange vor Corona, aber nochmals erheblich verschärft durch das staatliche „Pandemiemanagement“, etwa an der Privatisierung und Ökonomisierung des Gesundheitswesens, beobachten: Unter Rentabilitätsgesichtspunkten muss „alles abgestoßen und stillgelegt werden, was bloß defizitär funktioniert; und das heißt dann letzten Endes, daß die Infrastruktur ihren Beruf nicht mehr erfüllt und als solche zusammenbricht.“[21] Das Ergebnis davon sind Pflegenotstand, miserable Arbeitsbedingungen, Bettenabbau, Krankenhausschließungen etc. Unter den Bedingungen der Profitlogik ist es dann z.B. auch kein Widerspruch, wenn mit der Begründung der „Entlastung des Gesundheitssystems“, wie während der Corona-Krise geschehen, Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt werden, während die Schließung „unrentabler“ Krankenhäuser völlig unbeeindruckt voranschreitet. Der tertiäre Sektor ist also „keine Ausweichmöglichkeit“, um die in der hyperproduktiven Industrie freigesetzte Arbeitskraft zu „verwerten“ und so die Arbeitsgesellschaft auf eine neue Grundlage zu stellen.[22]
Mit Fiktionalisierung ist schließlich der vielleicht charakteristischste Aspekt des postmodernen Krisenkapitalismus angesprochen: Vor dem Hintergrund der stetig abnehmenden Rentabilität reeller Warenproduktion infolge des erreichten Produktivitätsniveaus und des damit einhergehenden Anstiegs der Kapitalintensität ist das Kapital in den vergangenen Jahrzehnten dazu übergangen, sich vorzugsweise „virtuell“ und spekulativ zu verwerten. Die auf den Finanzmärkten akkumulierten Geldmengen übersteigen inzwischen alles, was mit Realökonomie zu tun hat, um ein Vielfaches und repräsentieren daher kaum noch „reale“ Werte.[23] Man könnte in diesem Zusammenhang auch von „Finanzialisierung“ sprechen, da das Finanzkapital, oberflächlich betrachtet, zur neuen, primären Triebkraft der Akkumulation geworden zu sein scheint (folgerichtig wird heute auch von einem „Finanzmarkt-Kapitalismus“ im Sinne eines neuen „finanzgetriebenen“ Akkumulationsregimes[24] gesprochen). Fiktionalisierung ist jedoch insofern ein präziserer Begriff, als damit auf eine wesentliche Eigenschaft jenes spekulativen Finanzkapitals verwiesen ist: Es handelt sich dabei, mit Marx gesprochen, um „fiktives Kapital“. Dieses repräsentiert keine realen Werte aus kapitalistischer Warenproduktion, sondern erhebt, etwa in Form von Aktien, einen Anspruch auf Mehrwert aus zukünftiger Warenproduktion. Bereits Marx erachtete daher den schon damals wiederholt zu beobachtenden Trend zur Spekulation als ein kapitalistisches Krisenphänomen.[25] Während allerdings zu Marx’ Zeiten spekulative Tendenzen binnen relativ kurzer Zeit mit dem Platzen der entsprechenden Finanz- und Aktienblasen endeten, haben die seit den 1980er Jahren vorangetriebene globale Diversifizierung des Finanzkapitals und die Deregulierung der Finanzmärkte die drohende Krise effektiv, wenn auch unter großen Friktionen (z.B. wiederholte Finanz- und Währungskrisen in zahlreichen Ländern der Welt), quasi durch das „gigantischste kreditfinanzierte Konjunkturprogramm, das es je gegeben hat“,[26] um Jahrzehnte hinausgezögert.
Mit der globalen Finanzkrise von 2007/08 ist dieses neoliberale Krisenmanagement an seine Grenzen gestoßen. Seither versuchen die Staaten in einer Form von „neoliberalem Keynesianismus“[27] ein Fortschreiten der Krise zu verhindern. Die politischen Handlungsspielräume werden vor dem Hintergrund explodierender Staatsverschuldung bei gleichzeitig stagnierender Wirtschaftsleistung aber zusehends kleiner. Den Staaten bleibt als Bewältigungsstrategie nur noch die Wahl zwischen einer radikalen Austeritätspolitik, die jedoch mit einer forcierten Demontage sozialstaatlicher Strukturen einhergeht und darüber hinaus ein erhöhtes Deflationsrisiko mit sich bringt, und dem Reagieren auf die Krise mit Konjunkturprogrammen, Niedrigzinspolitik, Gelddrucken etc., um so Wirtschaft und Finanzsystem zu stützen, was aber nur ein weiteres Anwachsen der Staatsschulden bedeuten kann und darüber hinaus (wie wir ja heute erleben) erhebliche inflationäre Potentiale in sich birgt.[28] Dieser sich verengende Handlungsspielraum und insbesondere das Problem der Staatsverschuldung hat mittlerweile das Phänomen sogenannter gescheiterter Staaten hervorgebracht. Betroffen davon waren und sind bislang insbesondere Staaten in peripheren Regionen des Weltsystems (vor allem Afrika, Naher Osten und Lateinamerika), die auf dem heute erreichten Produktivitätsniveau auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig sind. Dort gehen staatliche Strukturen tendenziell in Erosion über und es breiten sich anomische und bürgerkriegsähnliche Zustände aus.[29] Drastisch verschärft wurde dieser sich schon länger abzeichnende Prozess ebenfalls durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007/08, in deren Zuge mittlerweile auch Länder der kapitalistischen Zentren zunehmend in die Nähe des staatlichen Scheiterns rückten (z.B. die südeuropäischen EU-Mitgliedsländer).
Zu dieser ökonomischen Krisendynamik kommt schließlich noch die ebenfalls eskalierende ökologische Krise hinzu. Diese beschränkt sich nicht nur auf den heute besonders im Fokus stehenden, propagandistisch und kommerziell ausgeschlachteten Klimawandel, sondern umfasst zahlreiche andere, nicht minder gefährliche Entwicklungen wie das voranschreitende Artensterben, die systematische Zerstörung der Biodiversität durch eine hochproduktive, globalisierte Agroindustrie oder die zunehmende Übersäuerung der Meere. Auch die ökologische Krise ist vor dem Hintergrund der gegenüber Mensch und Natur vollends rücksichtslosen Verwertungs- und Produktivitätslogik der kapitalistischen Produktionsweise zu betrachten.[30]
Das Virus traf 2020 auf eine Gesellschaft, die nicht nur dank des seit Jahren betriebenen neoliberalen Kahlschlags in vielen Bereichen bereits heruntergewirtschaftet war, sondern sich insgesamt in einer (auch psychisch) äußerst instabilen Konstitution befand. Die kapitalistische Gesellschaft ist ihrem Wesen nach eine „Arbeitsgesellschaft“: Nicht nur die Mehrwertproduktion beruht auf Arbeit, sondern ihr gesamtes Selbstverständnis bis hinein in individuelle Lebensläufe und Identitätsentwürfe. Was sich hier in der Krise befindet, ist mithin eine ganze Zivilisations- und Lebensform. Es ist so gesehen wenig überraschend, dass derart umfassende Krisentendenzen sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf individueller Ebene ein Klima latenter Angst und Abstumpfung erzeugen und entsprechend irrationale Verhaltensweisen begünstigen – zumal der kapitalistischen Produktionsweise bereits per se eine Rationalität eigen ist, die angesichts der heute kaum noch zu übersehenden (auto)destruktiven Effekte schwerlich anders als irrational zu bezeichnen ist.[31] Zuweilen drängte sich in den vergangenen drei Jahren tatsächlich der Eindruck auf, die Welt sei schlicht einer Art Massenpsychose erlegen.[32]
Ebenso wenig überrascht es, dass in der Corona-Krise die repressive Menschenverwaltung eine neue Qualitätsstufe erklommen hat. Es ist offensichtlich, dass viele der seit März 2020 umgesetzten Maßnahmen wie etwa der „Grüne Pass“ nicht oder jedenfalls nicht nur der „Virusbekämpfung“ dienten, sondern vielmehr dazu, „ein Klima der Unterwerfung [zu] schaffen und die Kontrollinstrumente [zu] präparieren, die die Staaten brauchen, wenn die wirklichen Krisen kommen.“[33] Corona wurde und wird also im Hinblick auf die innere Notstandsverwaltung benutzt, um die mit Fortgang der Krise zunehmend von Verarmung bedrohte Bevölkerung in Schach zu halten. Auch daran ist per se nichts Neues. Überwachung und Kontrolle, in Verbindung mit einer fortschreitenden Punitivierung des Strafrechts, sind als Strategien der Funktionseliten seit vielen Jahren erkennbar.[34] Mit dem im Zuge der Corona-Krise ins Werk gesetzten Maßnahmenportfolio und der gleichzeitigen massiven Beschädigung des Rechtsstaats wurde und wird das Überwachungs- und Kontrollinstrumentarium weiter ausgebaut, technologisch verfeinert und die Fügsamkeit der Bevölkerung getestet.
Nicht zuletzt zeichnet sich ab, dass der globale Ausnahmezustand, in dem der „Covid-19-Staat“ scheinbar als „Würgeengel der kapitalistischen Produktionsweise“[35] auftrat, auch ein Vehikel zur Durchsetzung eines neuen, kybernetischen, auf Digitalisierung und Biotechnologie beruhenden Akkumulationsregimes darstellen sollte.[36] Ob ein solches tragfähig sein und den Kapitalismus noch einmal (vorübergehend) vor seiner eigenen Produktivität retten kann, bleibt abzuwarten – und ist in Anbetracht der Erfahrungen mit den zahlreichen, jeweils vollmundig angekündigten und stets im Sande verlaufenen „neuen Akkumulationszyklen“ der vergangenen Jahrzehnte fraglich. Dies hat die Funktionseliten jedoch bislang nicht daran gehindert, die Rettungsversuche mit immer noch größerem Aufwand fortzusetzen, gegebenenfalls auch um den Preis enormer sozialer und ökologischer „Kollateralschäden“. Corona könnte also durchaus ein weiteres Beispiel für die zunehmend destruktiven Bemühungen zur Rettung des Systems sein – und dabei zugleich deren neuer Höhepunkt.
Die Beiträge in diesem Band werfen ein Schlaglicht auf einzelne Aspekte der Corona-Krise, die sich vor dem Hintergrund der hier skizzierten These als Symptome einer umfassenden gesellschaftlichen Krise verstehen lassen.
In den Beiträgen von Fabio Vighi und Gerd Bedszent wird zunächst der an dieser Stelle nur grob umrissene Zusammenhang von Corona-Regime und kapitalistischer Dauerkrise näher beleuchtet und politökonomisch analysiert. Vighi stellt die Pandemiebekämpfung in einen direkten Zusammenhang mit der Fragilität des globalen Finanzsystems und den zunehmend repressiven Versuchen der Funktionseliten zur immanenten Krisenbewältigung. Bedszent behandelt u.a. die Instrumentalisierung der Pandemie für die Durchsetzung von Kapitalinteressen und die „autoritäre Welle“ der Krisenverwaltung. Auch Andreas Urban und F. Alexander von Uhnrast argumentieren in ihren Thesen zu Ursachen und historischen Bedingungen des „Corona-Wahns“ explizit krisentheoretisch, fokussieren aber auf Aspekte der Fiktionalisierung sowie auf soziologisch-sozialpsychologische Dimensionen.
Dietmar Czycholl beschäftigt sich mit dem „Rätsel“ der Corona-Krise aus einer psychologischen Perspektive. Sein Beitrag zeigt, wie gesamtgesellschaftliche Regression und Infantilisierung dem „schweren Verlauf“ der Krise Vorschub geleistet haben. Deutliche Hinweise auf den labilen psychischen Allgemeinzustand gibt auch der Beitrag von Alan Schink, der sich an der Komplementarität von Viruswahn und Verschwörungsangst abarbeitet. Zu den darin beleuchteten Mechanismen der Verengung des gesellschaftlichen Debattenraums legt Ortwin Rosner eine materialreiche Fallstudie vor. Er analysiert die Wandlung und schließliche Entgleisung des medialen Corona-Diskurses in Deutschland und Österreich. Der darauf folgende Beitrag von Ada Frankiewicz betrachtet das Geschehen der vergangenen Jahre aus dem Blickwinkel der Foucault’schen Konzepte „Biopolitik“ und „Subjektdispositiv“. Die Autorin entwickelt die These, dass zahlreiche der im Corona-Ausnahmezustand zur Anwendung gebrachten Maßnahmen nicht zuletzt der Durchsetzung einer neuen Subjektordnung vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden digitalen und biotechnologischen Akkumulationsregimes dienten.
Kurt B. Uhlschütz entwirft in seinem Text ein breites Panorama unserer von Virusangst und Kriegsgeheul gezeichneten Epoche. Er stellt dabei die provokante Frage, ob wir es, zumindest im Globalen Norden, mit einer „anthropologischen Revolution“ hin zur „Inkompetenzgesellschaft“ zu tun haben – einer Verfallsform der bürgerlichen Gesellschaft, der selbst das bornierte betriebswirtschaftliche Realitätsprinzip abhanden zu kommen scheint. Silja Samerski legt in ihrem Beitrag die Aktualität von Ivan Illichs Buch Die Nemesis der Medizin (1975) dar und zeigt dabei auf, dass in der Corona-Krise die „medikalisierte Gesellschaft“ in einer Weise zu sich gekommen ist, die sich wohl nicht einmal Illich hätte vorstellen wollen. Mit Illich kritisiert sie sowohl diejenigen, die vorgeben, Gesundheit zu produzieren als auch diejenigen, die glauben, sie einfach konsumieren und optimieren zu können. Alexa Lichtaus befasst sich abschließend mit der in der Corona-Krise seltsam vernachlässigten Frage nach deren unmittelbarer Herkunft, also der bio(techno)logischen, medialen, geopolitischen „Schöpfungsgeschichte“ des neuartigen Coronavirus.[37] Ihre vielschichtige Betrachtung des „Erregers als Artefakt“ verweist einerseits auf eine Krise der modernen Naturbeherrschung, andererseits auf eine Krise der Narrativbeherrschung, welche sich nicht zuletzt in der Sabotage der Erkenntnisprozesse manifestiert.
Einige dieser Texte argumentieren explizit kapitalismuskritisch bzw. krisentheoretisch, andere nicht. Unabhängig davon können sie jeweils als eigenständige, mit umfassenden Belegen versehene Versuche gelesen werden, den Verlauf der Corona-Krise nachzuvollziehen und zu deuten. Neben der Dokumentation von Unsinn und Unrecht der vergangenen drei Jahre geht es darum, Corona als Krisensymptom zu dechiffrieren. Symptome sind, in den Worten Dietmar Czycholls, „verkleideter Ausdruck ungelöster, unbewusster Konflikte. Erforderlich sind daher Prozesse der Bewusstwerdung.“[38] Genau dazu versucht dieser Band beizutragen. Das erscheint uns umso wichtiger, als das Nachspiel der Corona-Krise geprägt ist von Ignoranz, Debattenverweigerung und dem Hintertreiben der Aufklärung. So genau will man es im Nachhinein gar nicht wissen, hat man doch nur getan, was „vernünftig“ war und getan werden „musste“. Resultat dieser „Vernunft“ war eine der bizarrsten Episoden der jüngeren Geschichte. Wird sie nicht bewusst und kritisch verarbeitet, droht sie sich zu wiederholen (als die Tragödie und die Farce, als die sich im Grunde bereits die Corona-Krise darstellte)[39]. Eine kategoriale Kritik des warenproduzierenden Systems kann zu dieser Verarbeitung Wesentliches beitragen.
Endnoten
[1] Jörg Ulrich, Individualität als politische Religion. Theologische Mucken und metaphysische Abgründe (post)moderner Subjektivität, Albeck bei Ulm 2002, S. 319
[2] „Rising non-Covid excess deaths reveal the disastrous legacy of the pandemic“, telegraph.co.uk, 29.10.2022
„Die fatale Bilanz der Pandemiepolitik“, zdf.de, 11.12.2022
[3] Vgl. exemplarisch Christian Felber et al., COVID-19 ins Verhältnis setzen. Alternativen zu Lockdown und Laufenlassen, 2021, coronaaussoehnung.org, S. 20ff.; Jens Berger, Schwarzbuch Corona. Zwischenbilanz der vermeidbaren Schäden und tolerierten Opfer, Frankfurt/Main 2021
[4] Adelina Comas-Herrera et al., Mortality associated with COVID-19 in care homes: international evidence, 2020, ltccovid.org
[5] Eine erstmals im Herbst 2020 im Bulletin der WHO veröffentlichte Meta-Studie errechnete eine durchschnittliche Infektionssterblichkeit von weniger als 0,3 Prozent, was in etwa der Sterblichkeitsrate einer mittelschweren Grippewelle entspricht (John P. A. Ioannidis, Infection fatality rate of COVID-19 inferred from seroprevalence data, in: Bulletin of the World Health Organization, 99(1), 2021, S. 19–33F). Diese Schätzung wurde später auf 0,15 Prozent nach unten korrigiert (John P. A. Ioannidis: Reconciling estimates of global spread and infection fatality rates of COVID-19: An overview of systematic evaluations, in: European Journal of Clinical Investigation 51(5), 2021, e13554). Neuere Studien belegen, dass die Corona-Sterblichkeit insbesondere für die Bevölkerung unter 70 Jahren deutlich überschätzt wurde (Angelo Maria Pezzullo et al., Age-stratified infection fatality rate of COVID-19 in the non-elderly informed from pre-vaccination national seroprevalence studies, 2022, https://doi.org/10.1016/j.envres.2022.114655). Auch unter Berücksichtigung anderer Parameter als der Mortalität (z.B. Krankenbettenbelegung) hebt sich die Corona-Pandemie nicht wesentlich von früheren, größeren Grippewellen ab. Das berühmt-berüchtigte Long Covid ist angesichts seiner extrem breiten Definition und der offensiv betriebenen Vermengung mit Impfschadensbildern („Post-Vac-Syndrom“) ohnehin ein Thema für sich.
[6] Z.B. Edmund Stoiber & Bodo Hombach (Hg.), Das Corona-Brennglas. Demokratie und Ökonomie nach der Pandemie, Baden-Baden 2021
[7] Zur zweifelhaften Rolle der Linken in der Corona-Krise siehe z.B. die entsprechenden Beiträge in Hannes Hofbauer & Stefan Kraft (Hg.), Herrschaft der Angst, Wien 2021; ebenso Hendrik Wallat, Der autoritäre Seuchenstaat und die Linke, in: Der Erreger #2, 2022, S. 126–131
[8] Hans-Martin Lohmann (Hg.), Extremismus der Mitte. Vom rechten Verständnis deutscher Nation, Frankfurt/Main 1994
[9] Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEW 42, Berlin 1983, S. 601
[10] Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1, MEW 23, Berlin 1973, S. 53; vgl. weiterführend auch Robert Kurz, Die Substanz des Kapitals. Abstrakte Arbeit als gesellschaftliche Realmetaphysik und die absolute Schranke der Verwertung, in: EXIT! Krise und Kritik der Warengesellschaft 1, 2004, S. 44–129
[11] Robert Kurz, Die Krise des Tauschwerts, in: Marxistische Kritik 1, 1986, S. 28, Herv. im Orig.
[12] In den vergangenen Jahren haben gelegentlich wissenschaftliche Prognosen für mediale Aufmerksamkeit gesorgt, denen zufolge im Laufe der kommenden zwei Jahrzehnte bis zur Hälfte aller Arbeitsplätze in westlichen Industrieländern infolge der Digitalisierung wegfallen könnten (vgl. Jeremy Bowles, The computerisation of European jobs, 2014, bruegel.org; Carl Benedict Frey & Michael A. Osborne, The future of employment: how susceptible are jobs to computerization?, in: Technological Forecasting and Social Change 114, 2017, S. 254–280).
[13] Robert Kurz, Kollaps der Modernisierung. Vom Zusammenbruch des Kasernensozialismus zur Krise der Weltökonomie, Frankfurt/Main 1991
[14] Robert Kurz, Mit Volldampf in den Kollaps, in: IG Rote Fabrik/Zürich (Hg.), Krise – welche Krise?, Berlin 1995, S. 37–64
[15] Dazu ausführlich Robert Kurz, Schwarzbuch Kapitalismus. Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft, erweiterte Neuausgabe, Frankfurt/Main 2009, S. 622–800
[16] Peter Temin, The vanishing middle class. Prejudice and power in a dual economy, Cambridge 2017
[17] Robert Kurz, Das Weltkapital. Globalisierung und innere Schranken des modernen warenproduzierenden Systems, Berlin 2005
[18] Kurz, Mit Volldampf in den Kollaps, S. 51
[19] Ebd., S. 53
[20] Ebd., S. 54
[21] Ebd., S. 55
[22] Ebd., S. 56
[23] Dies wird etwa ersichtlich bei einem Vergleich der Entwicklung von Aktienindizes (z.B. des Dow Jones) mit der Entwicklung der realen Wirtschaftsleistung seit den 1980er Jahren. Diese stehen de facto in keinerlei nachvollziehbarem Verhältnis zueinander.
[24] Paul Windolf (Hg.), Finanzmarkt-Kapitalismus. Analysen zum Wandel von Produktionsregimen, Sonderheft 45 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Wiesbaden 2005; Joachim Bischoff, Finanzgetriebener Kapitalismus. Entstehung – Krise – Entwicklungstendenzen, Hamburg 2014
[25] „Gerade das wiederholte Auftreten von Krisen in regelmäßigen Abständen trotz aller Warnungen der Vergangenheit schließt indessen die Vorstellung aus, ihre letzten Gründe in der Rücksichtslosigkeit einzelner zu suchen. Wenn die Spekulation gegen Ende einer bestimmten Handelsperiode als unmittelbarer Vorläufer des Zusammenbruchs auftritt, sollte man nicht vergessen, daß die Spekulation selbst in den vorausgehenden Phasen der Periode erzeugt worden ist und daher selbst ein Resultat und eine Erscheinung und nicht den letzten Grund und das Wesen darstellt. Die politischen Ökonomen, die vorgeben, die regelmäßigen Zuckungen von Industrie und Handel durch die Spekulation zu erklären, ähneln der jetzt ausgestorbenen Schule von Naturphilosophen, die das Fieber als den wahren Grund aller Krankheiten ansahen.“
(Karl Marx, Die Handelskrise in England, in: MEW 12, Berlin 1972, S. 336)
[26] Meinhard Miegel, zitiert nach: Claus Peter Ortlieb, Zur Kritik des modernen Fetischismus. Die Grenzen bürgerlichen Denkens, Stuttgart 2019, S. 314
[27] Robert Kurz, Der Tod des Kapitalismus. Marxsche Theorie, Krise und Überwindung des Kapitalismus, Hamburg 2013, S. 127
[28] Vgl. Tomasz Konicz, Kapitalkollaps. Die finale Krise der Weltwirtschaft, Hamburg 2016, S. 81ff.
[29] Vgl. Gerd Bedszent, Zusammenbruch der Peripherie. Gescheiterte Staaten als Tummelplatz von Drogenbaronen, Warlords und Weltordnungskriegern, Berlin 2014
[30] Andreas Urban, Ein Widerspruch von abstraktem und stofflichem Reichtum. Zum Zusammenhang von Kapitalismus und ökologischer Krise, 2020, wertkritik.org; Tomasz Konicz, Klimakiller Kapital. Wie ein Wirtschaftssystem unsere Lebensgrundlagen zerstört, Wien/Berlin 2020
[31] Bereits Max Horkheimer und Theodor W. Adorno haben der kapitalistischen Gesellschaft eine „irrationale Rationalität“ bescheinigt (vgl. Max Horkheimer, Zur Kritik der instrumentellen Vernunft, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 6, Frankfurt/Main 2008, S. 21–186; Max Horkheimer & Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt/Main 2010).
[32] Siehe in diesem Sinne z.B. Mattias Desmet, The Psychology of Totalitarianism, White River Junction/London 2022; Leo Krovich, Masse, Wahn, Corona, in: Der Erreger #2, 2022, S. 16–21; Hans-Joachim Maaz et al., Corona-Angst. Was mit unserer Psyche geschieht, Berlin 2021
[33] Anselm Jappe, Haben Sie „Gesundheitsdiktatur“ gesagt?, 2022, wertkritik.org
[34] Andreas Urban, Es muss wieder gestraft werden. Zur Rückkehr des repressiven Strafrechts in der Krise der Arbeitsgesellschaft, 2018, wertkritik.org
[35] Alfred J. Noll, Seuchenzeit: Der Staat als ideeller Gesamtkapitalist, in: Hofbauer & Kraft (Hg.), Lockdown 2020. Wie ein Virus dazu benutzt wird, die Gesellschaft zu verändern, Wien 2020, S. 93
[36] Vgl. Hannes Hofbauer & Andrea Komlosy, Neues Akkumulationsmodell: Verhalten und Körper im Visier des Kapitals, in: Hofbauer & Kraft (Hg.), Lockdown 2020. Wie ein Virus dazu benutzt wird, die Gesellschaft zu verändern, Wien 2020, S. 79–90; Andrea Komlosy, Zeitenwende. Corona, Big Data und die kybernetische Zukunft, Wien 2022
[37] Wenn SARS-CoV-2 tatsächlich aus dem Labor stammen sollte, so könnte das einen Teil der überschießenden behördlichen Reaktionen, die Tendenz zur Militarisierung der Krise etc. erklären. Denn Pathogenität und Mutationsverhalten konnten wohl zunächst schlechter eingeschätzt werden, als das bei natürlich entstandenen Erregern der Fall sein mag. Zwar macht das die implementierte Strategie der Virusbekämpfung, die Maßnahmen im Einzelnen, die Art ihrer Durchsetzung und das offenkundige Desinteresse an ihrer Evaluierung nicht weniger dubios, hätte aber immerhin eine gewisse Binnenrationalität. An der Corona-Krise ergäbe sich damit ein neuer, ebenso kritikwürdiger Aspekt, nämlich die Verschleierung dieses seiner Art und globalen Auswirkung nach präzedenzlosen, geradezu monströsen Vorfalls – eine Vertuschung, die auch den Zweck verfolgte, jegliche öffentliche Debatte über Biowaffenprogramme im Allgemeinen und Gain-of-Function-Forschung im Speziellen zu unterbinden.
[38] Siehe Czycholls Beitrag in diesem Band.
[39] In Abwandlung des bekannten Marx’schen Diktums zu Hegel (vgl. Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, in: MEW 8, 1972, S. 115).