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Andreas Urban


„Kampf gegen rechts“ als Selbstbetrug


 

Wenn es noch eines Beweises für den terminalen Zustand der Politik und insbesondere ihrer sich als links(liberal) und „antifaschistisch“ verstehenden Segmente bedurft hätte, er würde durch die aktuell in Deutschland stattfindenden und medial gehypten „Demonstrationen gegen Rechtsextremismus“ (orf.at, 21.1.2024) eindrucksvoll erbracht. Maßgeblich ausgelöst wurden die Demonstrationen durch einen als „Recherche“ firmierenden Bericht der „Faktenchecker“-Plattform Correctiv über ein „Geheimtreffen“ von Rechtsextremen, Rechtskonservativen und Identitären in einer Potsdamer Villa, bei dem Pläne zur großangelegten „Remigration“ von in Deutschland lebenden Migranten diskutiert worden seien (correctiv.org, 10.1.2024).


Ginge es bei dem sich antifaschistisch gebenden „Kampf gegen rechts“, an dem sich die (links)bürgerliche Mitte und ihre Journaille derzeit berauscht, tatsächlich um eine Kritik an der menschenverachtenden und rassistischen Politik von AfD und Co., so könnte man die Demonstrationen aus wertkritischer Sicht sogar mit einer gewissen Sympathie betrachten. Man könnte unter Umständen hinwegsehen über die billigen und abgelutschten Parolen einer „Verteidigung unserer Demokratie“ – Parolen, mit denen die Wertkritik naturgemäß nichts anfangen kann: Die Demokratie als politische Schönwetterveranstaltung des warenproduzierenden Systems, die daher gerade in Krisenzeiten „ihre Kinder frisst“ (Kurz 1993) und zum Autoritären tendiert, ist aus wertkritischer Sicht selbst ein Teil des Problems und der sich heute nicht nur in Deutschland abzeichnende Rechtsruck somit ein Symptom der Krise von Demokratie und Marktwirtschaft insgesamt. Folglich gibt es hier wenig zu verteidigen, sondern die aus sich selbst heraus erodierende Demokratie wäre als politische Form zusammen mit dem immer mehr aus dem Leim gehenden kapitalistischen Patriarchat zu überwinden.


Man könnte vielleicht sogar hinwegsehen über manche fragwürdigen Erscheinungsformen, die die lautstarke Skandalisierung der AfD (in der ihr zugedachten Rolle als ideeller deutscher Gesamtfaschist) und ihrer fremdenfeindlichen „Remigrations“-Ideen annimmt – so etwa die suggestive Sprache und den auf Emotionalisierung (anstatt nüchtern-kritischer Analyse) bedachten Duktus, deren sich besagter Correctiv-Bericht befleißigt; diskursive Strategien, wie sie ansonsten zu Recht an Rechtspopulisten kritisiert werden. Oder das von den Medien gerne aufgegriffene und multiplizierte Geraune über den angeblich „geheimen“ und „konspirativen“ Charakter des Potsdamer Treffens und der dort geschmiedeten „Pläne“ (das Treffen war in Wahrheit nicht mehr und nicht weniger „geheim“ als unzählige andere nicht-öffentliche Treffen und Konferenzen, wie sie Wirtschaftsvertreter, politische Parteien, Lobbyistenverbände usw. jeden Tag in Hotels und ähnlichen Örtlichkeiten abhalten, und von denen üblicherweise niemand Notiz nimmt); auch dies Diskurspraktiken, die gerade von selbsternannten Wächtern über „Wahrheit“ und Demokratie wie Correctiv bevorzugt als „verschwörungstheoretisch“ gelabelt werden, wenn andere sie anwenden. Allein der Titel der Correctiv-„Recherche“ („Geheimplan gegen Deutschland“) ist von keiner anderen Qualität als das paranoide Geschwurbel von „Verschwörungstheoretikern“ über einen geplanten „Great Reset“ des WEF oder angebliche Pläne einer „Gesundheitsdiktatur“ durch die WHO. Im konkreten Fall ist dies sogar umso schwerer zu gewichten, als im Universum der „Faktenchecker“ üblicherweise schon sehr viel weniger ausreicht, um als „Verschwörungstheoretiker“ denunziert zu werden, und mittlerweile fast schon jegliche Kritik am Regierungshandeln diesen Tatbestand erfüllt. Der Begriff der Verschwörungstheorie ist dank Correctiv und Co. längst zu einem substanzlosen Totschlagargument gegen jedwede unliebsame Kritik geworden. Aber das ist ein anderes Thema.


Keinesfalls mehr hinweggesehen werden kann allerdings über die expliziten und impliziten Assoziationen des jüngsten Rechtentreffens mit der berühmt-berüchtigten Wannsee-Konferenz, auf der die Nationalsozialisten im Januar 1942 die (bereits begonnene) Deportation und Vernichtung der europäischen Juden im Detail organisierten. Findet sich diese Assoziation im Correctiv-Bericht noch in recht verschwurbelter und eher impliziter Form[1], hat die bürgerliche Medienmeute mit ihrem bekannten Faible für medienwirksame Schauermärchen den Wink sehr wohl verstanden und bastelt sich die von einem pensionierten Zahnarzt organisierte Zusammenkunft von etwa zwanzig Gleichgesinnten aus dem rechtskonservativen bis rechtsextremen Spektrum zu einem Ereignis von der Tragweite und auf selber Ebene wie jene historische, für die Ermordung von Millionen Juden wegweisende Nazi-Konferenz zurecht („Wannsee 2.0“). Genauso umstandslos werden die ohne Frage menschenverachtenden und fremdenfeindlichen „Remigrations“-Fantasien der Rechten als Pläne zur „Deportation“ von Millionen Migrantinnen und Migranten geframt. Selbst linke Zeitungen wie Neues Deutschland sind dumm genug, in diese schamlose Verharmlosung von Nazi-Verbrechen im Interesse einer wohlfeilen Abgrenzung von und Stimmungsmache gegen AfD und Co. einzustimmen (nd-aktuell.de, 15.1.2024).[2] Unnötig, darauf hinzuweisen, dass auch hier – ähnlich wie schon beim Thema „Verschwörungstheorie“ – eine weitgehende Identität zwischen denjenigen besteht, die sich derzeit besonders schaudernd in einer historischen Situation à la Wannsee wähnen, und jenen, die ansonsten gegen jede tatsächliche oder vermeintliche Verharmlosung des Nationalsozialismus und des Holocaust zu Felde ziehen.


Aber selbst die historisch problematische Gleichsetzung der von Rechten anvisierten „Remigration“ mit einer drohenden „Deportation“ von Migrantinnen und Migranten könnte unter Umständen noch hingenommen werden, quasi nach dem Motto: „Wehret den Anfängen“, als ein sich ja durchaus abzeichnendes Szenario der massenhaften Ausweisung und Abschiebung von in Deutschland lebenden Menschen nichtdeutscher Herkunft. Ernst zu nehmen wäre eine solche Kritik allerdings nur, wenn dabei die schon sehr konkrete Asyl- und Migrationspolitik der derzeitigen Bundesregierung zur Kenntnis genommen und ebenfalls zum Gegenstand der Kritik gemacht würde. Denn während sich Regierungsvertreter vom Bundeskanzler abwärts, gleichsam im Schulterschluss mit den gegenwärtigen Protesten, als „Verteidiger der Demokratie“ inszenieren, hat die Ampelregierung soeben erst eine massive Verschärfung des Asylrechts verabschiedet und setzt damit faktisch bereits um, wovon AfD und Co. in ihren feuchten Remigrations-Träumen bis jetzt nur fantasieren können (einmal ganz abgesehen von dem ohnehin seit Jahren betriebenen asylpolitischen Mauerbau der EU an den europäischen Außengrenzen, vgl. Kurz 2016). Das Gesetzeswerk nennt sich im hinlänglich bekannten Orwell’schen Politsprech ganz harmlos „Rückführungsverbesserungsgesetz“ (bundestag.de, 17.1.2024); de facto beinhaltet es Grausamkeiten wie eine Verlängerung der Abschiebungshaft von 10 auf 28 Tage und die Ausweitung von Durchsuchungsmöglichkeiten im Rahmen der Fahndung nach verdächtigen Asylwerbern. Abschiebungen aus der Haft sollen in Hinkunft nicht mehr angekündigt werden müssen und ganz ohne Beteiligung von Staatsanwaltschaften und Gerichten erfolgen können. Auch Minderjährige können nunmehr in Abschiebungshaft kommen, wenn es sich bei ihnen um „Gefährder“ oder „Jugendstraftäter“ handelt. Und um Asylwerbern den Aufenthalt in Deutschland so unangenehm wie möglich zu machen, sieht der Gesetzesbeschluss vor, sie noch länger als bisher unter dem Existenzminimum zu halten, sollen sie künftig drei Jahre statt wie bisher 18 Monate lediglich die niedrigeren Asylbewerberleistungen erhalten.


In Bayern legt die Landesregierung sogleich nach und startet diverse „Bundesratsinitiativen“ für noch weiter gehende Verschärfungen, damit der „Migrationsdruck“ endlich abnehme (bayern.de, 15.1.2024). Die Pläne sehen „Zurückweisungen an der Binnengrenze“ und die Einrichtung von „zentralen Bundesausreisezentren an den großen deutschen Flughäfen“ ebenso vor, wie die „Aberkennung der Staatsangehörigkeit“ (einstweilen zumindest für „antisemitische Straftäter und Hetzer“). Bereits im vergangenen November forderte die Bundes-SPD, Migranten, die sich als Antisemiten erweisen, nachträglich den deutschen Pass zu entziehen – und zwar bis zu zehn Jahre rückwirkend (tagesspiegel.de, 15.11.2023). Abschiebeanstalten euphemistisch als „Ausreisezentren“ oder „Ausreiseeinrichtungen“ zu bezeichnen, ist in Deutschland freilich seit mehr als zwanzig Jahren gang und gäbe (nach Österreich wurden diese Termini 2019 durch FPÖ-Chef Herbert Kickl während seiner Amtszeit als österreichischer Innenminister importiert) und gehört ebenfalls in den Horizont des heute ubiquitären Orwell’schen Neusprechs.[3] Spätestens mit dem Vorhaben, deutschen Staatsbürgern mit „Migrationshintergrund“ unter bestimmten Bedingungen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen (und sie auszuweisen), schwindet die Differenz zu den „Remigrations“-Plänen von AfD und Co. ins Marginale. Gegen solche ganz konkreten und nicht im Geringsten „geheimen“ Initiativen und Gesetzesbeschlüsse von aktuellen Regierungen, ohne jegliche Beteiligung einer AfD, ist jedoch nirgendwo Protest wahrnehmbar.


Der tatsächliche Charakter der gegenwärtigen Demonstrationen erweist sich spätestens daran, dass auf diesen der demokratische und „antifaschistische“ Konsens ausgerechnet mit Vertretern jener Regierung in Szene gesetzt wird, die die von Rechten beschworene „Remigration“ mit ihrer Politik längst in die Tat umsetzt. Im Übrigen handelt es sich dabei auch um dieselbe Regierung, die bereits während der Corona-Krise demokratische Grundrechte, wo es nur ging, mit Füßen getreten hat und im Stellvertreterkrieg mit Russland einen rabiaten Militarisierungskurs fährt, nicht zu vergessen die in den vergangenen Jahren stark vorangeschrittene Zensur dissidenter Inhalte und die systematische Einschränkung und Diffamierung regierungskritischer Demonstrationen. Auf den „Demonstrationen gegen rechts“ wird ihnen nun jedoch gestattet, sich als „Verteidiger der Demokratie“ zu produzieren. Die Politik agiert dabei – so viel Fairness muss sein – im Grunde weit weniger verlogen als das sich auf den Demonstrationen versammelnde Wahlvolk, unter ihnen nicht wenige „Linke“. Denn man kann der Regierung ja, wie gesagt, kaum vorwerfen, ihre inhumane Migrations- und Asylpolitik im Geheimen umzusetzen. Es war derselbe Olaf Scholz, der während einer der ersten großen Demonstrationen nach Bekanntwerden des rechten „Geheimtreffens“ in Potsdam von einem „starke[n] Zeichen der Demokratie“ (tagesspiegel.de, 14.1.2024) schwadronieren durfte, der nur kurze Zeit früher, im Oktober 2023, medienwirksam verlautbart hatte, dass Deutschland „endlich im großen Stil abschieben“ müsse (spiegel.de, 20.10.2023). Auch in Österreich, wohin die Demonstrationen aufgrund der Beteiligung österreichischer Rechtsextremer, etwa des Identitären Martin Sellner, am Potsdamer „Geheimtreffen“ und vor dem Hintergrund einer (wieder)erstarkenden FPÖ langsam hinübertröpfeln („hinüberschwappen“ wäre angesichts der Dimensionen der hiesigen Proteste ein viel zu starker Ausdruck), nimmt sich der Innenminister ganz und gar kein Blatt vor den Mund und stellt unmissverständlich klar, wer punkto „konsequenter“ Migrationspolitik im Land der Schmidt und wer nur der Schmidl ist: FPÖ-Chef Kickl habe nur eine „große Klappe“, aber es sei „nichts dahinter“, er halte Menschen, die „teils zu Recht Ängste und Sorgen wegen der starken Migration“ hätten, „zum Narren“. Immerhin sei es Kickl gewesen, der in seiner Zeit als Innenminister mehr als doppelt so viele Asylwerber aus Afghanistan im Land aufgenommen habe (orf.at, 13.1.2024). Damit wird im Grunde nur, entwaffnend ehrlich, ausgesprochen, was der politischen Realität entspricht: Für ein „Abschieben im großen Stil“ braucht es keineswegs eine FPÖ oder AfD. Der größte Unterschied zwischen den Rechten und den übrigen Parteien, von „christdemokratisch“, „sozialdemokratisch“ bis „grün“, besteht allenfalls darin, dass Letztere lieber – ganz sprachsensibel oder einfach nur geübter im Orwell’schen Neusprech – „Rückführung“ nennen, was Erstere ganz offen als „Remigration“ bezeichnen.[4] Überhaupt scheint bei vielen in Vergessenheit geraten zu sein, dass gerade die AfD nicht vom rechten Rand, sondern aus der Mitte der Gesellschaft kommt und es insbesondere der neoliberale Mainstream war und ist, der als Brutstätte der Neuen Rechten fungiert (dazu Konicz 2024).


Freilich standen die sich heute gegen Rechtsextremismus auf den Straßen tummelnden „Demokraten“ und „Antifaschisten“ bereits in der Corona- und der Ukraine-Frage überwiegend auf der Seite der Regierung, haben Demonstrationen gegen ein irrationales und destruktives „Pandemie-Management“ oder gegen Kriegshetze und Waffenlieferungen pauschal für „rechtsextrem“ und „verschwörungstheoretisch“ erklärt und sich nicht zuletzt der ans Faschistoide grenzenden Hetze gegen „Ungeimpfte“ angeschlossen – Forderungen nach Suspendierung von Grundrechten durch 2G etc. und Eingriffen in die körperliche Integrität durch direkte und indirekte Formen des Impfzwangs inklusive. Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an manche „Highlights“ gerade aus linken und linksliberalen, sich mit aller Emphase als „antifaschistisch“ verstehenden Kontexten, so etwa Forderungen nach einem „Maßnahmenvollzug“ für Impfgegner, Vergleiche von „Ungeimpften“ mit einem für die Gesellschaft entbehrlichen „Blinddarm“, die Aufrufe einer verwahrlosten Antifa zur Internierung und „Durchimpfung“ von Demonstranten gegen die Impfpflicht oder die öffentliche Beschimpfung von Friedensaktivisten und Kriegsgegnern als „Lumpenpazifisten“ und „Putinfotzen“ bzw. „Putinschwanzlutscher“ (vgl. Urban 2022, S. 14; Urban 2023a, S. 9). Von daher ist weder die Distanzlosigkeit im Verhältnis der Demonstrierenden zur Regierung noch deren Blindheit gegenüber politischen und gesellschaftlichen Realitäten (ganz zu schweigen von den eigenen „undemokratischen“ und autoritären bis faschistischen Tendenzen) allzu überraschend. Auch Aufrufe zum Töten von AfDlern (n-tv.de, 23.1.2024) oder Wunschvorstellungen so manch aufrechter Demokraten mit korrekter „Gesinnung“ (und vermutlich auch postmodern-linkem Bedürfnis nach ubiquitären safe spaces) von einem systematischen sozialen Ausschluss von AfD-Wählern, so z.B. vom öffentlichen Zugverkehr (kodoroc.de, 21.1.2024)[5], erweisen sich in diesem Lichte im Grunde nur als konsequent. All dies fügt sich in einen Diskurs und eine Praxis des Ausschlusses und der Entrechtung von als „unbotmäßig“ definierten Teilen der Bevölkerung, die spätestens im Laufe der vergangenen vier Jahre hegemonial geworden sind und im großen gesellschaftlichen Maßstab (und, wie man sieht, mit nachhaltigem Erfolg) eingeübt wurden, und die sich nur dadurch von der Ausländerhetze der Rechten unterscheiden, dass sie es auf andere Personengruppen abgesehen haben und die Kriterien des sozialen Ein- und Ausschlusses andere sind.


Der Einschätzung, die Franz Schandl andernorts über die sich aktuell artikulierenden Proteste äußerte, kann daher weitgehend zugestimmt werden:


„Das Problem ist, die da rechts außen stehen, stehen in Wahrheit rechts innen. Wer Wähler und Funktionäre der Sozialdemokraten und Konservativen kennt, weiß das auch. Freunde exzessiver Deportation sind überall zu finden. Leider. Das Schlimme ist: Diese Rechten sprechen oft nur aus, was die Mitte tut, was also der Gesamtliberalismus inklusive linksgrünem Appendix so anstellt. So demonstrieren da in deutschen Städten nicht wenige gegen das, was sie selbst durch ihr Handeln, Denken, Tolerieren erst ermöglichen und vorantreiben.“ (Schandl 2024)


Angesichts der auch bis weit in linke und linksliberale Milieus hinein virulenten Faschisierung kann und muss man dabei wahrscheinlich sogar noch weiter gehen: Was die Demonstrationen eindrucksvoll belegen, ist schlicht die fortgeschrittene Erosion des Demokratischen selbst und – was dasselbe ist oder zumindest unmittelbar damit Hand in Hand geht – dass kaum jemand der Beteiligten noch über ein Verständnis von „Demokratie“ und „Grundrechten“ verfügt, das über leere, austauschbare Floskeln hinausreicht, damit aber auch und erst recht über keines von „Faschismus“. „Rechts“ und „faschistisch“ ist nur noch, was und wenn es die AfD (oder FPÖ) sagt oder tut, nicht ein sehr konkretes Denken und Handeln, ein bestimmter Umgang mit Anderen und nicht zuletzt Andersdenkenden und schlussendlich ein bestimmtes, im Kern menschenverachtendes Bild vom Menschen und der Gesellschaft. Daher auch die Blindheit der „Verteidiger der Demokratie“ für ihre eigenen Anteile am Verfall des Demokratischen und an der Tendenz zum Autoritären und Faschistischen.


Darin steckt letztlich auch der wahre Kern der von Rechtskonservativen (denen die aktuelle „Wannsee 2.0“-Causa wieder reichlich Gelegenheit bietet, die moralische und intellektuelle Verkommenheit des „linksgrünen“, „woken“ Gutmenschentums aufs Korn zu nehmen, z.B. tichyseinblick.de, 21.1.2024) in jüngster Zeit so gerne bemühten Feststellung, dass der Unterschied zwischen rechts und links inzwischen obsolet geworden sei – wenngleich in anderer Weise, als es sich die Rechten zusammenreimen, die damit jegliche Links-Rechts-Differenz überhaupt für gegenstandslos erklären möchten. Die Tatsache, dass Linke (oder sich als „links“ Verstehende) sich in ihren Inhalten und ihrer Praxis immer weniger von Rechten unterscheiden, dementiert nicht den grundsätzlichen politischen, historisch gewachsenen Unterschied zwischen links und rechts, sondern verweist auf den Verfall der politischen Sphäre im Zuge der Krise des warenproduzierenden Systems und insbesondere dessen, was darin einmal „links“ war. Einen Hinweis auf die neue (Krisen-)Qualität der heutigen politischen Verwerfungen gibt nicht zuletzt der Umstand, dass der in linken Kontexten gebräuchliche Begriff der „Querfront“, mit dem die Übernahme und das Salonfähigmachen rechter Positionen und Ideologien innerhalb der Linken bezeichnet wird, immer weniger geeignet scheint, das empirische Durcheinandergehen von rechts und links adäquat zu erfassen. Wenn Linke, wie etwa während der Corona-Impfdebatte, mit urlinken Inhalten und Begriffen wie „Solidarität“ eine per definitionem „rechte“ Ausschluss- und Ausgrenzungspolitik gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe („Ungeimpfte“) begründen und über diese Gruppe nur noch in einer Art Untermenschen-Diskurs sprechen, so erfüllt dies nicht mehr so sehr den Tatbestand einer „Querfront“ in jenem klassischen Sinne, dass rechte Inhalte übernommen würden (wie dies etwa bei Linken der Fall ist, die eine rigidere Migrationspolitik goutieren), sondern deutet eher darauf hin, dass das linke Kategoriensystem als solches kaputt ist. Der Querfrontbegriff wäre selbst dann nicht mehr hinreichend und entpuppte sich nur noch als bloße Leerformel, wenn man derartige Entwicklungen und Tendenzen trotzdem und mangels eines besseren Begriffs weiterhin unter „Querfront“ subsumieren wollte, denn welchen Analyse- und Erklärungswert soll dieser Begriff noch haben, wenn autoritäre und faschistoide Tendenzen auch in linken Kontexten immer mehr um sich greifen, wenn also die „Querfront“ sozusagen zum linken Regelfall geworden ist?


Dem Verfall des Politischen und der demokratischen Formen entspricht letztlich auch ein Verfall des politischen Subjekts. Vielleicht geht es bei den aktuellen „Demonstrationen gegen rechts“ ja gerade auch darum, diesen Verfallsprozess, an dem auch diejenigen kräftig mitarbeiten, die sich für gestandene „Antifaschisten“ halten, vor sich selbst zu verleugnen und zu kaschieren. Man kann sich als kritischer Beobachter zuweilen des Eindrucks nicht erwehren, Zeuge einer (wenn auch außerordentlich schlechten) Inszenierung zu werden, mit der sich in erster Linie die Protestierenden selbst etwas zu beweisen versuchen. Man will sich als etwas beweisen, was man schon längst nicht mehr (und in den meisten Fällen wohl auch nie gewesen) ist: gute Demokraten und Antifaschisten. Da tut es gut, bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf der Seite der „Guten“ stehen zu können, auch wenn (und weil) immer weniger klar ist, wer oder was genau dieses „Gute“ eigentlich sein soll. Und dabei hilft es wiederum ungemein, wenn dieses Gefühl so billig zu haben ist und einem AfD, FPÖ usw. medial als das Feindbild und quasi als Inbegriff des „Faschistischen“ und „Antidemokratischen“ schlechthin serviert werden – ein Popanz, auf den man nur noch, gleich einem Pawlow’schen Hund, zu reagieren braucht, weil die Ablehnung von AfD und FPÖ schon allein als Ausweis einer aufrechten demokratischen Gesinnung gilt. Die dürre Begründung, mit der manche Rechten ihre Ausländerfeindlichkeit legitimieren, scheint sich der Struktur nach und mit derselben Inhaltsleere zunehmend auch auf der anderen Seite zu finden: „Weil man ja gegen irgendwen sein muss, und mit denen ist es einfach“ (zit. n. Konicz 2024, Einleitung). Wahrlich, es ist alles andere als schwer, gegen die AfD zu sein.


Auf der „richtigen Seite“ zu stehen war bereits während der Corona-Krise wie auch später im Ukraine-Krieg die wesentliche Haupttriebkraft derjenigen, deren „antifaschistische“ Attitüde und Praxis zum Teil kaum noch vom Denken und Handeln jener Rechtsextremen und „Faschisten“ zu unterscheiden war, gegen die sie ansonsten und auch heute wieder zu agitieren vorgeben. Gerade die vergangenen vier Jahre haben eindrucksvoll gezeigt, welcher Verfallsform kritischen (linken) Denkens sich das ebenso dringende wie bornierte Bedürfnis, zu den „Guten“ zu gehören, verdankt: Insbesondere das postmoderne Denken mit seiner Beliebigkeitsideologie und den daraus resultierenden destruktiven Effekten auf die intellektuellen Kapazitäten hat Kritik sowohl ihrer Inhalte als auch (in weiterer Folge) ihrer Verbindlichkeit beraubt und u.a. den Antifaschismus zu einer austauschbaren und inhaltsleeren Spielmarke heruntergebracht. Damit Hand in Hand geht eine enorme Verflachung der Gesellschaftskritik zu einer oberflächlichen „Gesinnungskritik“ (vgl. Bohnstingl et al. 2023, S. 258ff.; siehe dazu auch die Buchbesprechung in Urban 2023b). Ein aus diesen Dispositionen ebenso sehr hervorgehender wie diese Dispositionen zusätzlich verstärkender Konformismus tut schließlich noch sein Übriges. Das Ergebnis daraus, das in den vergangenen vier Jahren in seinem ganzen Elend besichtigt werden konnte, war jene gleichermaßen einfältige wie beharrliche, von aller inhaltlichen Auseinandersetzung bereinigte pauschale Diffamierung jedweder Kritik an der Corona-Politik oder am westlichen Kriegskurs gegen Russland als „rechtsextrem“, „verschwörungstheoretisch“, „antisemitisch“ usw. und die im Umkehrschluss daraus abgeleitete Verklärung der bedingungslosen Unterwerfung unter das staatliche Maßnahmenregime und der unkritischen Übernahme der medial und politisch vorgegebenen Narrative als „solidarisch“, „antifaschistisch“, „demokratisch“. Derart aller Inhalte und gesellschaftskritischen Dimensionen entkleidet, verkommen der Antifaschismus und der „Kampf gegen rechts“ zu einem bloßen Reflex. Reflex war aber schon immer das Gegenteil von Reflexion und damit zwangsläufig auch von Kritik.


Zum Teil dürfte es sich bei den derzeitigen „Demonstrationen gegen rechts“ überhaupt um eine direkte oder indirekte, freilich recht verquere Reaktion bzw. Verarbeitungsform vor dem Hintergrund des eigenen „demokratischen“ Versagens, u.a. während der Corona-Zeit, handeln. Ein drängendes Bedürfnis nach „demokratischer“ und „antifaschistischer“ Selbstvergewisserung hat sich in dieser Zeit vermutlich schon deshalb angestaut, da man es ja während der „Pandemie“ überwiegend bevorzugte, zuhause zu bleiben und die Demokratie primär vom Sofa aus in „sozialen Medien“ zu verteidigen. Generell galten Demonstrationen als „unsolidarisch“ und erscholl besonders in linksliberalen Milieus der Ruf nach Demonstrationsverboten – schon allein, um im „Krieg gegen das Virus“ nicht ins Hintertreffen zu geraten, aber selbstverständlich auch im unmittelbar „demokratischen“ Interesse der Bekämpfung von „Coronaleugnern“ und „Verschwörungstheoretikern“ und den von ihnen auf den Demos verbreiteten „Desinformationen“ und „Fake News“. Anders als während der Corona-Krise gegen all die „Coronaleugner“ und „Impfgegner“ oder später gegen die „Putinversteher“ lassen sich mit der aktuellen Agitation gegen die AfD und deren „Remigrations“-Pläne nun auch relativ große Massen mobilisieren – das allein ist schon hilfreich dabei, sich endlich wieder als Teil einer großen Bewegung „guter Demokraten“ im Kampf gegen „antidemokratische“ Kräfte zu imaginieren. Vor allem aber bieten die heutigen Proteste eine vortreffliche Gelegenheit, davon abzulenken (und vor allem sich selbst vergessen zu lassen), dass gerade das eigene politische Versagen (und ganz besonders jenes der Linken) während der Krisen der letzten Jahre einen nicht geringen Anteil am gegenwärtigen Höhenflug von AfD und Co. hat. Die notwendige Kritik an einem irrationalen Corona-Maßnahmenregime und einem nicht weniger irrationalen Kurs im Krieg gegen Russland wurde tabuisiert und weitgehend den Rechten überlassen, welchen es daher auch ein Leichtes war, sich als (einzige) Opposition zu inszenieren und die Kritik zu kapern bzw. für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Dass auf der anderen Seite speziell die „Corona-kritische“ Bewegung zu keiner Zeit eine emanzipatorische Bewegung war, kann bereits daran abgelesen werden, dass diese – wo sie sich nicht ohnehin aus dem eher rechten Lager rekrutierte oder zumindest mit den Rechten sympathisierte – vergleichsweise wenige Anstrengungen unternahm, sich klar von Rechten oder tatsächlichen Verschwörungstheoretikern abzugrenzen, sowie daran, dass von den meisten derjenigen, die damals gegen Corona-Maßnahmen und Impfpflicht auf die Straße gingen, wenig Kritisches – und eher Gegenteiliges – zu vernehmen ist, wenn es um Asylverschärfungen, Abschiebungen und dergleichen geht, staatliche „Maßnahmen“ und Grundrechtseinschränkungen also andere betreffen. Es zeigt dabei ebenfalls nur den erreichten Grad der Krise und des Verfalls des politischen Feldes an, dass jene, die nicht vergessen können oder wollen, wie sehr sich gerade der demokratische Mainstream in den vergangenen Jahren blamiert und wie „undemokratisch“ und zuweilen regelrecht faschistoid sich die heute wieder als „Verteidiger der Demokratie“ aufspielenden Milieus gebärdet haben, immanent – und solange der demokratisch-bornierte Wahlgang den Horizont allen politischen Handelns bildet – kaum eine Alternative zu AfD, FPÖ usw. vorfinden können. Das allein erzeugt einen enormen Sog nach rechts, der den Rechtsruck und die autoritäre Entwicklung der krisengeplagten westlichen Demokratien zusätzlich beschleunigt. In Deutschland gibt es inzwischen freilich das „linkskonservative“ – Tomasz Konicz würde in seiner zunehmend überspannten und analytisch wenig überzeugenden Art sagen: „national-soziale“ (vgl. Konicz 2023; ebenso Konicz 2024, Einleitung) – Bündnis Sahra Wagenknecht, das u.a. als Anlaufstelle für jene dienen dürfte, die durch die Corona- und Ukraine-Politik endgültig vom politischen „Establishment“ entfremdet wurden, denen die AfD aber entschieden zu rechts ist. In der Tat erfüllt Wagenknecht vollauf (zumindest so weit ist Konicz zuzustimmen) den Tatbestand der „Querfront“ (im klassischen Sinne), schon allein was ihre Position zum Thema Asyl und Migration betrifft, die sich nicht signifikant von jener des stramm nach rechts marschierenden Mainstreams unterscheidet. Der allgemeine Rechtsruck wird daher auch durch dieses neue Bündnis keineswegs dementiert, sondern bestätigt. 


Auch auf Seiten der Regierungsparteien erfüllen die medial gehypten und politisch auffällig gehätschelten „Demonstrationen gegen rechts“ ganz offensichtlich eine politische Funktion angesichts miserabler Umfragewerte und des enormen Erstarkens rechter und rechtsextremer Parteien wie AfD und FPÖ. Eine ähnliche oder dazu komplementäre Funktion erfüllen die Versuche, das Migrations- und Asylthema politisch und medial (wieder) stärker zu bespielen, sowie die bereits auf Schiene gebrachten massiven Verschärfungen im Asyl- und Migrationsrecht. Diese Strategie zielt darauf, den Rechten, denen man durch die eigene desaströse, die kapitalistische Krisendynamik zusätzlich verschärfende Politik der vergangenen Jahre noch größere Teile der erodierenden Mitte regelrecht in die Arme getrieben hat, politisch möglichst das Wasser abzugraben. Die Strategie ist freilich ähnlich durchdacht und erfolgversprechend wie jene, mit denen man sich bereits in das Corona- und Ukraine-Desaster hineinmanövrierte. Es war noch nie ein von Erfolg gekröntes Vorhaben, rechte Parteien zu verhindern, indem man sie rechts überholt. Derartige Versuche haben bislang so gut wie immer dazu geführt, rechte Ideologien noch salonfähiger zu machen und ihnen einen noch größeren Resonanzboden zu schaffen, und damit folgerichtig zu einer weiteren Stärkung rechter Kräfte und Parteien. Ähnlich kontraproduktiv aus ähnlichen Gründen sind die Diskussionen und möglicherweise noch folgenden Versuche, die AfD als Partei zu verbieten – leichter könnte man es den Rechten nicht machen, sich als politische Opfer zu inszenieren (man betrachte nur die zusätzliche Popularität, die Donald Trump in den USA, angesichts der mit allen möglichen juristischen Winkelzügen und Gerichtsverfahren angestrengten Versuche, ihn als Präsidentschaftskandidaten bei den bevorstehenden US-Wahlen zu verhindern, einheimst). Erfolgversprechend ist die Strategie der Regierungsparteien allenfalls dahingehend – und vielleicht ist das auch der Hauptzweck der aktuellen Kampagne gegen AfD und Co. –, die eigene Abschiebe- und „Remigrations“-Politik als die „demokratischere“ und „humanere“ zu verkaufen. Dass die Verschärfung des Asylrechts und die „Eindämmung“ der Migration angesichts der fortschreitenden Zusammenbruchs- und Barbarisierungsprozesse in der kapitalistischen Peripherie und der nicht abreißenden Fluchtbewegungen längst auf der Agenda der politischen Krisenverwaltung stehen, ist keine Neuigkeit und vermögen alle zu sehen, die es sehen wollen und sich und ihr Denken noch nicht in einem gesinnungsethisch zubetonierten, pseudodemokratischen und -„antifaschistischen“ safe space eingebunkert haben. Zumindest in dieser Hinsicht geben die aktuellen „Demonstrationen gegen rechts“ den Regierungsparteien durchaus recht: Die breite Masse will offensichtlich belogen werden und viel mehr noch sich selbst belügen, um die eigenen demokratischen Illusionen nicht aufgeben zu müssen und sich so lange wie möglich als jene „gute Demokraten“ imaginieren zu können, die sie längst nicht mehr sind.


Es mag unter den Demonstrierenden (vermutlich nicht einmal so wenige) Menschen geben, welchen die „Demonstrationen gegen rechts“ nicht bloß eine willkommene Gelegenheit sind, um ein hohles (links)identitäres Bedürfnis zu befriedigen und ihr in den vergangenen Jahren gehörig ramponiertes Fremd- und Selbstbild als „Demokrat“ und „Antifaschist“ aufzupolieren, sondern die ernsthaft besorgt sind über den sich deutlich abzeichnenden Rechtsruck und die u.a. von der AfD ausgehende faschistische Gefahr. Diese sind aber selbst Teil der skizzierten Erosion des Demokratischen und damit des von ihnen gefürchteten Rechtsrucks, solange sie über die real längst stattfindende „Remigrations“-Politik der Regierungen wie auch allgemein über die unübersehbaren rechten, autoritären und faschistoiden Tendenzen des Mainstreams hinwegsehen. Wie groß (oder klein) das verbliebene kritische (linke) Potenzial tatsächlich noch ist, wird sich in nächster Zeit u.a. daran zu erweisen haben, ob sich der Protest auch auf die massiven Asylverschärfungen der Regierungsparteien ausweiten wird. Nicht zuletzt die Entwicklungen und Erfahrungen der vergangenen Jahre lassen annehmen, dass die meisten derjenigen, die derzeit gegen die AfD auf die Straßen gehen, wieder in ihren Löchern verschwinden werden, sobald sich der Protest auch gegen die Regierung richtet und in weiterer Folge wohl auch nicht mehr medial und politisch als „antifaschistisch“ und als „starkes Zeichen der Demokratie“ gefeiert, sondern womöglich sogar, im Gegenteil, als „antidemokratisch“, „(links)extremistisch“[6], „verschwörungstheoretisch“ etc. geframt wird.




Literatur


Bohnstingl, René/Obermayr, Linda Lilith Obermayr/Reitter, Karl (2023): Corona als gesellschaftliches Verhältnis. Brüche und Umwälzungen im kapitalistischen Herrschaftssystem, Kassel.


Konicz, Tomasz (2023): Nazis welcome, konicz.info


Konicz, Tomasz (2024): Faschismus im 21. Jahrhundert. Skizzen der drohenden Barbarei (erweiterte und aktualisierte Neuausgabe als E-Book).


Kurz, Robert (1993): Die Demokratie frißt ihre Kinder. Bemerkungen zum neuen Rechtsradikalismus, in: krisis (Hg.): Rosemaries Babies. Die Demokratie und ihre Rechtsradikalen, Unkel/Rhein, S. 11-87.


Kurz, Robert (2016): Ausgrenzungsimperialismus und Ausnahmezustand, in: exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft 13, S. 123-169.


Michal, Wolfgang (2024): Wannseekonferenz? Der richtige Vergleich sind die „Boxheimer Dokumente“ von 1931, in: Der Freitag, Ausgabe 04/2024.


Schandl, Franz (2024): Rechtsaußen als Rechtsinnen, streifzuege.org


Urban, Andreas (2022): Realitätsverlust und suizidale Drift. Der Abstieg des Westen im Viruswahn und „Krieg gegen Putin“. Teil 1: „Killervirus“ und „Mad Vlad“ – Die postmoderne Krisenwelt als Wille und Irrenhaus, wertKRITIK.org (zitiert nach der Druckversion).


Urban, Andreas (2023a): Realitätsverlust und suizidale Drift. Der Abstieg des Westens im Viruswahn und „Krieg gegen Putin“. Teil 3: Systemische Lebensmüdigkeit – Mit wehenden Fahnen in den Dritten Weltkrieg, wertKRITIK.org (zitiert nach der Druckversion)


Urban, Andreas (2023b): Corona als gesellschaftliches Verhältnis – aber welches?, wertKRITIK.org




Internetquellen


bayern.de (15.1.2024): „Bericht aus der Kabinettssitzung vom 15. Januar 2024“, https://www.bayern.de/bericht-aus-der-kabinettssitzung-vom-15-januar-2024


bundestag.de (17.1.2024): „Ausschuss verabschiedet ‚Rückführungsverbesserungsgesetz‘“, https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-986736?

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correctiv.org (10.1.2024): „Geheimplan gegen Deutschland“, https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen


kodoroc.de (21.1.2024): „Zertifizierter Antifaschismus“, https://kodoroc.de/2024/01/21/zertifizierter-antifaschismus


nd-aktuell.de (15.1.2024): „Von ‚Wannsee 2.0‘ in die Landtage“, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179224.rechtsextremismus-von-wannsee-in-die-landtage.html


n-tv.de (23.1.2024): „‚AfDler töten‘-Plakat ruft Staatsanwaltschaft auf den Plan“, https://www.n-tv.de/der_tag/AfDler-toeten-Plakat-ruft-Staatsanwaltschaft-auf-den-Plan-article24683340.html


orf.at (13.1.2024): „Asyl: Karner sieht bei Kickl ‚nur große Klappe‘“, https://orf.at/stories/3345538


orf.at (21.1.2024): „Über eine Million bei Demos gegen rechts“, https://orf.at/stories/3346371


spiegel.de (20.10.2023): „Scholz und die Flüchtlingspolitik: ‚Wir müssen endlich im großen Stil abschieben‘“, https://www.spiegel.de/politik/deutschland/olaf-scholz-ueber-migration-es-kommen-zu-viele-a-2d86d2ac-e55a-4b8f-9766-c7060c2dc38a


tagesspiegel.de (15.11.2023): „Bis zu zehn Jahre rückwirkend: SPD will Antisemiten deutschen Pass nachträglich entziehen“,

https://www.tagesspiegel.de/politik/bis-zu-zehn-jahre-ruckwirkend-spd-will-antisemiten-deutschen-pass-nachtraglich-entziehen-10782103.html


tagesspiegel.de (14.1.2024): „Größte Potsdamer Demo seit Jahren:Tausende Menschen stellen sich auf dem Alten Markt gegen Rechts – auch Kanzler Scholz“, https://www.tagesspiegel.de/potsdam/landeshauptstadt/potsdam-setzt-zeichen-gegen-rechts-hunderte-teilnehmer-bei-protestdemo-auf-dem-alten-markt-auch--kanzler-scholz-ist-vor-ort-11048758.html


tagesspiegel.de (22.1.2024): „Potsdamer Treffen als ‚Wannseekonferenz 2.0‘? Zentralrat der Juden mahnt zur Vorsicht bei historischen Vergleichen“, https://www.tagesspiegel.de/politik/potsdamer-treffen-als-wannseekonferenz-20-zentralrat-der-juden-mahnt-zur-vorsicht-bei-historischen-vergleichen-11089948.html


tichyseinblick.de (21.1.2024): „Correctiv, Wannsee und der Moralputsch der Wohlgesinnten, https://www.tichyseinblick.de/meinungen/correctiv-wannsee-und-der-moralputsch-der-wohlgesinnten 




Endnoten


[1] Womöglich ist es auch Zufall, dass die Organisatoren gerade diese Villa für ihr konspiratives Treffen gewählt haben: Knapp acht Kilometer entfernt von dem Hotel steht das Haus der Wannseekonferenz, auf der die Nazis die systematische Vernichtung der Juden koordinierten. (correctiv.org, 10.1.2024)

Weniger zufällig sind die Absichten hinter solchen Formulierungen, die offen darauf angelegt sind, die entsprechenden Assoziationen bei den Leserinnen und Lesern des Texts auszulösen. Die Abenteuerlichkeit der konstruierten Assoziationsketten sagt dabei möglicherweise mehr über die Autoren des Berichts als über dessen Gegenstand: Acht Kilometer entfernt vom Ort der Wannsee-Konferenz hat das „konspirative“ Rechtentreffen stattgefunden – damit ist alles klar, oder? Warum nicht auch noch die Tatsache als Beweis heranziehen, dass beide Veranstaltungsorte – sowohl die Villa der Wannsee-Konferenz als auch das Landhaus, in dem die Rechten ihren „Geheimplan gegen Deutschland“ schmiedeten – an Seen liegen? Wahrscheinlich sind die meisten Teilnehmer des Treffens gar über die von Hitler gebaute Autobahn angereist? 


[2] Wobei sich glücklicherweise keineswegs alle linken Zeitungen so billig vor den (regierungs-)politischen Karren spannen lassen (z.B. Michal 2024). Auch manche Mainstreammedien sehen sich nach dem ersten wohligen Grusel (und nachdem man etwa vom Zentralrat der Juden, ob der potentiell den Holocaust verharmlosenden Vergleiche des Potsdamer „Geheimtreffens“ mit der historischen Wannsee-Konferenz, zurechtgewiesen wurde) gezwungen, ein wenig zurückzurudern (z.B. tagesspiegel.de, 22.1.2024).


[3] Juristisch ist diese Aussage freilich nicht ganz korrekt. Denn laut des 2005 in Deutschland in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bezeichnet „Ausreiseeinrichtung“ nicht etwa Schubgefängnisse, sondern Einrichtungen, in denen „die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise durch Betreuung und Beratung gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden sollen (§ 61 Abs. 2 AufenthG). Allerdings entspringt auch diese Spitzfindigkeit dem Werkzeugkasten für Orwell’sche Euphemismen und Neologismen: Abschiebung = Rückführung, Drangsalierung von Asylwerbern in eigens eingerichteten Institutionen = Betreuung und Beratung zur Förderung der Bereitschaft zur „freiwilligen“ Ausreise. 2002 schaffte es „Ausreisezentrum“ immerhin auf Platz 2 bei der Wahl zum „Unwort des Jahres“.


[4] Wiewohl der Unterschied so groß auch nicht (mehr) ist: Die Hanse- und Universitätsstadt Rostock etwa schreibt im Januar 2024 eine Stelle als Sachbearbeiter/in für „Remigration“ aus. Mittlerweile ist die Ausschreibung offline und nur noch im Webarchiv abrufbar. Den Hinweis auf die Ausschreibung verdanke ich einem Beitrag auf der Website kodoroc.de.


[5] Den im zitierten Beitrag dargelegten Einschätzungen über den derzeit zu beobachtenden, staatlich „zertifizierten Antifaschismus“ und insbesondere die Naivität zahlreicher Linker in ihrem (abermaligen) Schulterschluss mit dem Staat im „Kampf gegen rechts“ kann der Autor weitestgehend folgen.


[6] Gerade die Linken unter den Demonstrierenden sollten sich stets vergegenwärtigen, dass der Staat seinen Hauptfeind bis heute vor allem links verortet. Dazu genügt ein Blick in den aktuellsten Verfassungsschutzbericht des deutschen Innenministeriums.