Gerold Wallner


Robert Kurz 1943 – 2012


Zuerst veröffentlicht in der linken Zeitschrift grundrisse




Wenn ein Mensch tot ist, bleibt das, womit er weiterlebt: seine Werke, sein Ruf, seine Nachkommenschaft.


Robert Kurz ist tot. Seine Werke, sein Ruf, seine Nachkommenschaft, dies alles fällt bei ihm in eins, wird besprochen, tradiert und weitergegeben werden und macht ihn so zu einem kollektiven Wesen, das sich nicht mehr gegen die Vereinnahmung wehren kann. Er lebt in der Erinnerung weiter und in dem, das er hinterlassen hat an Büchern und auch an Menschen, die von ihm gelernt haben und die von ihm angeregt oder abgestoßen wurden. Robert Kurz war wichtig für einen Gedanken, den er in der deutschsprachigen Linken verankert hat; dass nämlich die Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx allein nicht ausreicht, um die bürgerliche Gesellschaft korrekt und umfassend zu beschreiben. Dieser Gedanke wurde unter dem Drängen und der genauen und beständigen Mitarbeit von Roswitha Scholz, deren Beitrag gar nicht hoch genug geschätzt werden kann, zu seiner theoretischen Form gebracht. Abspaltungskritik – also die Beschreibung des der bürgerlichen Epoche eigenen Geschlechterverhältnisses – und Aufklärungskritik – also das strikte Verneinen, dass aus bürgerlicher Vernunft noch eine Entwicklung dieser Gesellschaft zu erwarten sei, geschweige denn eine Entwicklung über sie hinaus – traten so neben eine marxistisch fundierte Wertkritik. Dazu wurde versucht, mit der Fetischkritik – also der Beschreibung von Matrizen für das unbewusst-gemeinschaftliche gesellschaftliche Verhalten – die Gesamtschau auf unsere Zeit abzurunden.


Ein zweiter wesentlicher Einwurf von Robert Kurz zur Gesellschaftskritik war die Formulierung einer Krisentheorie, die im Inneren des Kapitalismus selbst eine immanente Schranke sah und beschrieb, eine Schranke, die eine positive Weiterentwicklung dieser Produktionsweise aus ihrer eigenen Dynamik heraus verunmöglichte, vielmehr zu Abschluss und Funktionsverlust führen würde. Viel gescholten, dass er damit einem Attentismus Vorschub leiste, bedeutete dies aber doch den immer wieder die traditionelle Linke störenden Verweis, dass es keinen Hausfrieden geben könne, dass da nichts wäre, worin sich wohnlich einzurichten sei, dass wir, ZeugInnen einer finalen Krise des Kapitalismus, uns wegen dieser Zeitgenossenschaft mit Fragen des Zusammenbruchs und des Überschreitens von Systemschranken zu beschäftigen hätten.


Robert Kurz war mit dieser seiner heftigen Radikalität und Konsequenz im deutschen Sprachraum ein Solitär, wenn auch nicht unbedingt ein Einzelgänger. Er formulierte immer in persönlichen Zusammenhängen und produzierte immer im Kreis von Vereinen und Redaktionen, die er zur Unterstützung und Inspiration seines Werks brauchte. Auch außerhalb des deutschen Sprachraums gab und gibt es ähnliche Menschen wie ihn, die ähnliche Ansichten zur Diskussion stellen und vertreten. Robert Kurz hat immer dafür gekämpft, dass seine Sichtweisen und Formulierungen unverfälscht, wie er sie sah, weitergegeben werden, und mit dieser seiner Rigidität auch Verstörung ausgelöst. Manchen erschien sein Anspruch, die Speerspitze bei der Weiterentwicklung der Gesellschaftskritik über Marx hinaus zu sein, unbescheiden. Goethe sagt dazu: „Nur die Lumpe sind bescheiden, Brave freuen sich der Tat.“